Stadtrat verbietet Ostermessen

Landesregierung trägt das österliche Präsenzgottesdienst-Verbot nicht mit

Stadtrat verbietet Ostermessen Landesregierung trägt das österliche Präsenzgottesdienst-Verbot nicht mit

Lage.
Der Stadtrat hat wäh­rend einer Sondersitzung am Freitag, 26. März 2021, Lages Bürger­meis­ter Matthias Kalkreuter beauftragt und ermächtigt, Präsenzgottesdienste im Stadtgebiet bis einschließlich Sonntag, 18. April 2021, generell zu verbieten. Der Beschluss erfolgte mit großer Mehrheit bei zwei Enthaltungen gegen die drei Nein-Stimmen von Dieter Hagedorn (CDU) sowie Andreas Epp und Thomas Assmann (beide Aufbruch C).
Ausschlaggebend für das Präsenzgottesdienst-Verbot in der Karwoche, an den Osterfeiertagen und während der beiden Wochen danach waren das Infektionsgeschehen in der Lagenser Evangeliums-Christen Baptistengemeinde am Eschenweg seit 21. März, der Inzidenzwert von 811 am Tag der Ratsentscheidung und die ausdrückliche Auskunft der NRW-Landesregierung bzw. Staatskanzlei (= Behörde des Ministerpräsidenten) gegenüber Bürgermeister Kalk­reuter am Freitag, 25. März, dass das Land NRW ein ausnahmsloses Verbot jeglicher Präsenzgottesdienste in Lage nicht mittrage.
Das sehr hohe Corona-Ausbruchsgeschehen bei Mitgliedern der freikirchlichen Gemeinde am Eschenweg hatte Bürgermeister Matthias Kalk­reuter zum Anlass genommen, das Gesundheitsministerium NRW direkt zu kontaktieren und aufgrund der kräftig angestiegenen Inzidenz um die erforderliche Zustimmung zu einer Untersagung jeglicher Gottesdienste am Osterwochenende in Lage zu bitten. Am Tag der Ratssitzung waren im Zusammenhang mit der Bap­tis­tengemeinde 322 positive Fälle bekannt. Von 1.061 Tests waren 1.058 Tests ausgewertet worden, 736 mit einem negativen Ergebnis. Fast jedes dritte Gemeindemitglied war positiv getestet worden. Dies deckt sich mit den Erfahrungswerten des Infektionsgeschehens im gesamten Kreis Lippe, denn die derzeitige Ansteckungsquote ist höher als in den Monaten zuvor.
Vor den Ratsmitgliedern verwies Kalkreuter auf eine entsprechende Mitteilung auf der Homepage der Stadt Lage. Diese Mitteilung war am Tag der Ratssitzung veröffentlicht worden. Dort heißt es: „Die Allgemeinverfügung des Kreises Lippe vom 23. März sieht in einer Stufenregelung Kontaktbeschränkungen für den öffentlichen und privaten Raum sowie weitere Regelungen für Gottesdienste und Zusammenkünfte von Religionsgemeinschaften vor. Die Verfügung beinhaltet die Empfehlung, auf die Durchführung von Präsenzgottesdienten bis auf weiteres zu verzichten. Dieses erachte ich jedoch als nicht ausreichend, um auf das lokale Corona-Ausbruchsgeschehen in der Lagenser Baptistengemeinde mit mehr als 300 Infizierten wirksam zu reagieren.“
Die Rückmeldung des Düsseldorfer Gesundheitsministeriums habe ergeben, dass nach dessen Rücksprache mit der Staatskanzlei NRW, die in religiösen Fragen in Bezug auf die Corona-Pandemie zu beteiligen ist, ein generelles Verbot zum Beispiel von Oster-Gottesdiensten in Lage nicht mitgetragen werde.
Seitens des Landes sei dargelegt worden, so Kalkreuter vor den Ratsmitgliedern, dass er die richtige Entscheidung getroffen habe, als er nach Bekanntwerden des hohen Ausbruchsgeschehens am jüngs­ten Wochenende gegenüber der Baptistengemeinde sofort ein Gottesdienstverbot bis Donnerstag vor Ostern ausgesprochen habe und der Gemeinde diese Untersagung in Form einer schriftlichen Ordnungsverfügung zukommen ließ. Diese Untersagung könne er als Bürgermeister nach Auskunft aus Düsseldorf im eigenen Ermessen längstens bis zum 18. April verlängern.
Das Gesundheitsministeriums habe dem Bürgermeister anheimgestellt, auch weitere Präsenzgottesdienst-Verbote für die betreffenden Gemeinden oder Glaubensgemeinschaften auszusprechen, sollte dort ein erhöhtes Corona-Ausbruchsgeschehen auftreten, welches im Zusammenhang mit der Gemeinde stehe. Allerdings nur für diese Gemeinden, und zwar im Nachgang und nicht für alle Gemeinden im Vorfeld.

Geprüfte Hygienekonzepte
Den Ratsmitgliedern erläuterte Kalkreuter, gegenüber dem Gesundheitsministerium dargelegt zu haben, dass die ortsansässigen Kirchen und Religionsgemeinden der Stadt Lage schon im Herbst entsprechende Hygienekonzepte für Präsenzgottesdienste vorgelegt hatten. Diese waren vom Gesundheitsamt des Kreises Lippe fachlich geprüft und nicht beanstandet worden. Regelmäßige sonntägliche Gottesdienstkontrollen der städtischen Ordnungsbehörde in den Kirchengemeinden hatten keine Verstöße erkennen lassen. Die Baptistengemeinde am Eschenweg sei fünfmal ohne Voranmeldung kontrolliert worden.
„Wir gehen davon aus, dass auch die privaten Zusammenkünfte der Gemeindemitglieder der Baptistengemeinde Ursache für das hohe Ausbruchsgeschehen sind. Vom Gesundheitsministerium liegt mir nunmehr die Zustimmung vor, der Gemeinde, die mir gegenüber signalisiert hat, bis zum 9. April auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, eine Untersagung auszusprechen, die garantiert, dass über Ostern dort keine religiösen Präsenzveranstaltungen statt­­finden“, hob der Bürgermeister hervor.
Die Stadt Lage hatte in den Tagen vor der Karwoche alle 25 Kirchen und Religionsgemeinschaften in Lage nochmals angeschrieben und eindringlich gebeten, soweit möglich, auf Präsenzveranstaltungen zu verzichten und ggfs. Onlineformate für die Gottesdienste zu nutzen.
Zwei freikirchliche Religionsgemeinschaften hätten zurückgemeldet, dass sie der Bitte der Stadt Lage nicht entsprechen werden.

Leben und Gesundheit
Kalkreuter betonte vor dem Kommunalparlament, dass sein „direkter Dienstvorgesetzter“ der Stadtrat und nicht die Staatskanzlei sei. Er, so der Bürgermeister, stelle es dem Rat anheim, alle Präsenzgottesdienste in Lage für eine bestimmte Dauer zu untersagen, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Wenn der Stadtrat eine solche Entscheidung treffe, werde er als Bürgermeister eine entsprechende Verfügung erlassen. Das würde ihm erlauben, vor einem Ausbruchsgeschehen wie am Eschenweg „proaktiv und nicht nur reaktiv handeln“ zu können.
Bei der Diskussion des von Anton Volk (FWG/BBL) anschließend gestellten Antrags, Präsenzgottesdienste bis einschließlich 18. April zu untersagen, wurden die Argumente teilweise sehr emotional vorgetragen. Während die Befürworter des Verbots darauf verwiesen, dass die Baptistengemeinde sich unsolidarisch verhalten, unverantwortlich ge­handelt und Vorschriften missachtet habe, mahnten Dieter Hagedorn, Andreas Epp und Thomas Assmann, dass die Landesregierung ein Präsenzgottesdienst-Verbot nicht mittrage, dass die Kirchengemeinden Hygiene-Konzepte für Gottesdienste entwickelt hätten und dass es gar nicht erwiesen sei, dass ein Gottesdienst ursächlich gewesen sei für das Infektionsgeschehen bei den Baptisten.