Seit drei Monaten im Amt

Postillon-Redakteurin im Gespräch mit Kämmerer Uwe Aust

Lage.
Uwe Aust wohnt in Bad Salzuflen im Ortsteil Retzen; seine Eltern hat es nach dem Krieg nach Lippe verschlagen. Der Beutelipper und gebürtige Herforder ist 53 Jahre alt und verheiratet. Seine 21-jährige Tochter studiert in Münster Medizin. Er fühlt sich im Kreis Lippe sehr wohl, für ihn muss alles mit dem Fahrrad erreichbar sein. Seit 2005 ist er fast täglich mit dem Rad zur Arbeit unterwegs: „Wenn man sich dran gewöhnt hat, möchte man nicht mehr Auto fahren, es kann zu einer Sucht werden“. Austs Hobbys sind außer dem Fahrradfahren der Retzener Posaunenchor und die Vorstandsarbeit beim Kulturring Retzen e.V. Seit drei Monaten ist er Kämmerer in der Stadt Lage.

Wie lange waren
Sie in Leopoldshöhe?
Fünf Jahre, vorher hatte ich eine Sachgebietsleitung in Lemgo. Ich habe übrigens einen ähnlichen beruflichen Werdegang wie mein Vorgänger Frank Limpke. Wir kennen uns von der Ausbildung her und treffen uns immer noch regelmäßig.

Warum der Wechsel?
Mich reizte der Sprung in eine größere Stadt, die Herausforderung. Die Zeit in Leopolds­höhe war schön. Es gab keinen Wechselwillen; ich habe nicht aktiv nach neuen Stellen geschaut. Letztes Jahr um diese Zeit habe ich tatsächlich nicht damit gerechnet, in der Stadt Lage zu arbeiten. Es ist Luxus, wenn man seinen Hut aus einer guten Position heraus in den Ring werfen kann.

Was gefällt Ihnen an der Stadt Lage?
Lage ist die viertgrößte Stadt in Lippe. Die Stadt steht vor vielen Herausforderungen, bietet aber auch Potential und Chancen. Lage ist eine Indus­triestadt, die die vielen Veränderungen der letzten 40 Jahre im ländlichen Raum bewältigen muss. Die demografischen Entwicklungen, der Wandel im Handel ist in den kleinen Städten noch viel radikaler. Wie geht’s weiter, wenn Geschäfte aufgeben werden oder neue hereinkommen? Gibt es eine andere Nutzungsart? Es reizt mich in größerer Einheit, als in Leopoldshöhe, tätig zu werden und an der Zukunftsgestaltung mitzuarbeiten. Ich möchte daran mitwirken ein attraktives Umfeld in der Stadt zu gestalten. Noch bin ich in der Kennenlernphase, es gibt schöne Ortsteile, die ich vom Fahrradfahren kenne. Die Stadt bietet einen schönen geschlossenen Stadtkern. Der Wochenmarkt ist attraktiv, die Parkplatzsituation ist gut gelöst. Der Weihnachtsmarkt hat eine heimelige Atmosphäre.

Sie fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit?
Ja, tatsächlich pendle ich bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit, auch wenn es derzeit etwas kalt ist. Gestern war sogar meine Schaltung eingefroren. Ich fahre über Hölserheide und Hagen. Ich integriere so Bewegung in meinen Alltag. Wenn man die Eichenallee hochfährt, weiß man, was man geschafft hat.

Nun zu den Zahlen …
Das Defizit im beschlossenen Plan für 2020 liegt bei 720.000€, der Fehlbetrag im eingebrachten Entwurf lag aber erheblich höher. Der neue Rat, Bürgermeister und Verwaltung haben sich bereits im Frühjahr 2021 intensiv mit Fragen der Haushaltskonsolidierung beschäftigt. Zusammen mit den wesentlich optimistischeren Ergebnissen der November-Steuerschätzung konnten diese Verbesserungen im Plan erreicht werden. Die Corona-Pandemie wirkt aber voraussichtlich noch länger nach. Die Risiken, vor allem für das Steueraufkommen in 2022, sind noch nicht absehbar. Aktuell erleben wir die Diskussion um die vierte Welle; man weiß nie, wie sich das auf die Konjunktur auswirkt. Es sind noch viele Einflüsse durch diese und andere Krisen möglich – was eintritt, werden wir am Ende des Jahres sehen. Umso wichtiger ist die Haushaltskonsolidierung, um hand­lungsfähig zu bleiben und selbst agieren zu können, statt nur reagieren zu müssen. Dazu trägt auch der Überschuss aus dem Jahresabschluss 2020 bei, der die Ausgleichsrücklage stärkt.

Was ist zu tun?
Den Weg der strategischen Haushaltskonsolidierung und die gute Arbeit fortsetzen. Bei Fragen der Infrastruktur, wie z. B. einer Schwimmbadrenovierung oder dem Ganztagsausbau an Grundschulen, geht es um richtig viel Geld.
Die Infrastruktur beispielsweise bei den Schulen ist in die Jahre gekommen, zudem haben sich die Rahmenbedingungen verändert, Stichwort Brandschutz und die Digitalisierung. Die Anforderungen an Klassenräume steigen; früher reichte quadratisch, praktisch, gut, heute muss man sinnvolle Lösungen für zeitgemäßes, inklusives und digitales Lernen finden.
Als „Gemischtwarenladen“ können wir unsere „Produkte“ auch nicht einfach einstellen, wenn sie defizitär sind. Da unterscheiden sich Kommunen von privaten Unternehmungen. Wir erbringen gute Leistungen für die Stadtgesellschaft im Rahmen der Daseinsvorsorge und für eine attraktive und nachhaltige Stadt Lage.
Die finanziellen Probleme, die viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen treffen, erfordern gute, strategisch orientierte Lösungen.
Natürlich wäre es schöner, wenn man in einer Stadt arbeitet, wo Milch und Honig fließt. Wir leben aber nun mal mitten in Lippe und arbeiten daran, das Beste für Lage zu erreichen.


Wie verbringen Sie
ihre Mittagspause?
Ich gehe gelegentlich in die Stadt, gerne esse ich eine Suppe von Althoff’s Markt. Manchmal lese ich die Zeitung „World and Press“, englische Artikel mit deutschem Vokabelteil. Die Zeitung gibt einen Einblick rundherum in die Welt. So bleibe ich an der englischen Sprache dran.

Warum englisch?
Ich war 1990 das erste Mal in Horsham, der Partnerstadt von Lage. Das war eine Studienfahrt während des Telekollegs, die die heutige Standesbeamtin Petra Krämer organisiert hatte. Wir waren in Privatfamilien untergebracht; dort habe ich John kennengelernt, er war damals schon pensionierter Lehrer, so habe ich eine besondere Verbindung nach Sussex bekommen. Wir freuen uns darauf, mal wieder nach England, Holland oder innerhalb Deutschlands zu reisen, genießen aber dafür jeden Tag unseren Garten.

Wie haben Sie Weihnachten und Silvester verbracht?
Im kleinen Kreis. Mit den Schafen am Schafstall – das Hobby meiner Frau. Das sind Wohlfühlschafe, Rasenmäher zum Durchkraulen.

Vielen Dank für das Interview.