Klare Worte von Thomas Voss

„Eine lebendige Innenstadt bedeutet persönliche Nähe“

Klare Worte von Thomas Voss „Eine lebendige Innenstadt bedeutet persönliche Nähe“

Lage.
Thomas Voss ist Inhaber des Modehauses Schlichting in der Lagenser Innenstadt. Er führt das 1905 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation. Voss ist außerdem u.a Vorsitzender der Werbegemeinschaft Lage sowie stellvertretender Vorsitzender des Stadtmarketing-Verein Lage. Kurz vor den Orderterminen für die nächste Saison gelang es dem Postillon noch einen Termin für ein Interview zu bekommen.

Wie lange sind Sie
Vorsitzender der Werbegemeinschaft Lage und was ist Ihre Motivation?
Voss: Seit 35 Jahren arbeite ich ehrenamtlich im Vorstand der Werbegemeinschaft und bin in diesem Jahr seit 25 Jahren der 1. Vorsitzende. Die Arbeit mit meinen Vorstandskolleginnen und Kollegen und unserem Geschäftsführer Peter Thiele macht viel Freude. Wir wollen Lage seit vielen Jahren gemeinsam nach vorne bringen, positiv im Bewusstsein der Menschen verankern und im Konzert der vier größeren lippischen Städte hörbar mitspielen. Seit einigen Jahren geschieht das sehr gut in Zu­sammenarbeit mit dem damals neugegründeten Stadtmarketing-Verein. Die Ergebnisse werden positiv wahrgenommen, das Image hat sich deutlich verbessert und gibt Hoffnung auf die Zukunft.

Welche Auswirkungen hat der Lockdown
auf Ihre Branche?
Voss: Der Lockdown ist für viele Branchen und die Menschen, die dort arbeiten, katastrophal. In unserer Modebranche ist die Situation dramatisch, weil wir mit einer Vorlaufzeit von ca. sechs Monaten die Ware ordern müssen. Wir kaufen z.B. ab Juli die Frühjahr/Sommerware für das nächste Jahr, aktuell ab Januar die nächste Herbst-/Winterware für 2021. Wenn die Ware kommt, muss sie abgenommen und bezahlt werden. Wir hatten vom 18. März bis Anfang Mai 2020 den ersten Lockdown mit geschlossenen Geschäften. Im November gab es den „Lockdown Light“ mit erheblichen Umsatzeinbußen. Seit dem 16. Dezember, in den wirklich überlebenswichtigsten Wochen des ganzen Jahres, kam für den Non-Food-Einzelhandel der zweite Lockdown mit Geschäftsschließungen bis heute. Es staut sich die unverkaufte Ware in ganz Deutschland in nicht vorstellbarer Menge. Das sind für sehr viele Geschäfte und Firmen nicht nur existenzbedrohende Liquiditäts-Probleme, sondern es sind auch logistische Herausforderungen. Die Lagerkapazität ist nicht unbegrenzt und die finanziellen Mittel ebenfalls nicht. Mit der vollständigen Geschäfts­schließung im Non-Food-Handel wird uns die Geschäftsgrundlage entzogen und viele Firmen in der Modebranche stehen vor dem absoluten Aus.

Gibt es einen Weg
aus der Krise?
Voss: Ja, eine schnellstmögliche Öffnung des Non-Food-Einzelhandels, natürlich unter Beachtung der entsprechenden Hygiene-Vorschriften. Wir haben in unserem Modehaus das vorgeschriebene Hygiene-Konzept konsequent umgesetzt. Unsere Kunden tragen die vorgeschriebenen Masken, nutzen Desinfektionsspender an den Eingängen, haben ausreichend Platz, können Abstand halten. Wir haben Trennwände an der Kasse und das Kundenaufkommen ist insgesamt übersichtlich. In vielen Geschäften der Lebensmittelbranche ist das Kundenaufkommen pro Quadratmeter deutlich höher, die sind aber sys­temrelevant und wir nicht. Auf einen Punkt möchte ich noch hinweisen, der mich und viele meiner Kollegen im Facheinzelhandel maßlos ärgert: Das ist die wettbewerbsverzerrende Entscheidung der Politiker aus Berlin und den Bundesländern, dass die Le­bensmit­telgeschäfte auch alle Non-Food-Artikel weiterhin verkaufen dürfen, während der Fachhandel zum existenzgefährdenden Zuschauen verdammt ist. Auch eine Art der Diskriminierung.

Welche
Erwartungen / Wünsche
haben Sie für das Jahr 2021?
Voss: Aktuell haben mit Sicherheit alle Menschen weltweit dieselben Wünsche und ich schließe ich mich gerne an: Dass die „Covid 19 Situation“ gesundheitlich beherrschbar wird, die Menschen sich wieder normal begegnen können, ohne Mundschutz, ohne Angst, ohne persönliche Vorbehalte und soziale Kontakte ohne Vorhaltungen (wegen unterschiedlicher Meinung über Corona in der Vergangenheit) wieder stattfinden. Selbstverständlich wünsche ich mir insbesondere, dass wir als Familienunternehmen seit 1905 und Modehaus in der dritten Generation mit unseren Mitarbeitern diese sehr herausfordernde Zeit überstehen und wirtschaftlich überleben. Es ist dem gesamten Einzelhandel, allen betroffenen Branchen und der Wirtschaft im Allgemeinen das Überleben nicht nur zu wünschen, sondern eine zwingende Voraussetzung für sozialen Frieden und Wohlstand. Andere Wünsche stehen dahinter zurück.

Plant die Werbegemeinschaft Aktionen
für das Jahr 2021?
Voss: Ja, selbstverständlich plant ganz aktuell der Stadtmarketingverein in Zusammenarbeit mit der Werbegemeinschaft für dieses Jahr Aktionen. Aber aufgrund der augenblicklichen Situation mit den Einschränkungen bezüglich Events kann ich Ihnen noch keine konkreten Termine nennen.

Was Sie schon immer
mal sagen wollten?
Voss: Allen Politikern, Fachleuten, erkannten oder selbsternannten Spezialisten ist langsam klar geworden, dass die Innenstädte bundesweit in größter Not sind. Die Gründe sind vielschichtig und die Corona-Situation gilt allgemein als Brandbeschleuniger. Es wäre sehr hilfreich, wenn die Menschen ihren eigenen Standort, die Gastronomie und die Fachgeschäfte vor Ort wieder mehr zu schätzen wüssten. Eine lebendige Innenstadt bedeutet persönliche Nähe, soziale Kontakte, beugt der digitalen Vereinsamung vor und steht letztlich für pure Lebensqualität. Natürlich gibt es Amazon, Zalando und Co., aber der örtliche Handel ist auch nicht stehengeblieben, sondern kann in vielen Bereichen durchaus mithalten, erst recht in sozialer Kompetenz. Jeder Bürger ist letztlich für sein eigenes Standortglück verantwortlich. Es gibt bekanntlich ein zu spät. Dazu muss es nicht kommen.