Fragestunde in der Grundschule

Besuch der Vizepräsidentin des Landtages NRW

Lage.
Wenn die SchülerInnen nicht zum Landtag kommen, kommt der Landtag zu den SchülerInnen … Zumindest besuchte die Vizepräsidentin des Landtages NRW die Grundschule Lage, um die zahlreichen Fragen der Kinder zur Arbeit des Landtages zu beantworten. Carina Gödecke, die selbst Lehrerin, Mutter und fünffache Großmutter ist, nahm sich Zeit und schenkte den SchülerInnen volle Aufmerksamkeit. Nach 26 Jahren im Landtag möchte Gödecke nicht noch einmal kandidieren. Die Antworten der Vizepräsidentin waren auch für Erwachsene interessant.

Erfahren,
wie es in NRW läuft
Silke Schwanke begrüßte außerdem Bürgermeister Matthias Kalkreuter und die Landtagsabgeordnete Ellen Stock (SPD), die sich auch den Fragen der Kinder stellten. Die Schulleiterin führte nochmal in das Thema Demokratie anhand von Klassenrat und Schulparlament ein. „Heute können wir erfahren, wie es in NRW läuft“. Vorab trug sich Gödecke in das goldene Buch der Stadt Lage ein. „Einen Schatz mit Erinnerungen“ nannte der Bürgermeister das Buch, dessen Einband nicht aus Gold, sondern aus Holz besteht. Es folgte ein Film über die Arbeit des Landtags. „Die Landesregierung bestimmt über Gesetze, Schulen, Kultur, Polizei und den Landeshaushalt und versucht Menschen zu helfen, die sich von einer Behörde ungerecht behandelt fühlen (Petition)“, erklärte Gödecke bevor die Fragestunde begann. „Man kann sich in die Politik einmischen“, ermunterte die Vizepräsidentin die Kinder.

Welche Entscheidungen dürfen Sie im Landtag treffen?
Gödecke: Wir entscheiden über das Geld und die Richtung. Wir entscheiden auch, ob Schulen vom Lockdown betroffen sind oder nicht. Wenn die Digitalisierung stockt, ist das unsere Verantwortung.

Warum gibt es jetzt keinen Lockdown?
Gödecke: Wir haben uns angeschaut, was in der Zeit passiert ist und ob alle Kinder WLAN haben. Wir möchten eine Bildungskrise verhindern und wünschen allen gute Startchancen. Viele Eltern müssen arbeiten und ihr braucht ein gutes Zeugnis für eine gute Zukunft. Mittlerweile wissen wir auch mehr über das Virus. Das Risiko, schwer krank zu werden, ist ein bisschen minimiert.

Ist es anstrengend oder leicht, Entscheidungen zu treffen?
Gödecke: Nach 26 Jahren habe ich Routine darin. Es gibt aber immer noch Entscheidungen, wo ich unsicher bin.
Stock: Ich bin erst vier Jahre im Landtag. Ich muss viel lesen. Man muss gut zuhören können und abwägen.
Gödecke: Wir sind keine Virologen, vielleicht stellen wir in drei Monaten fest, dass der nicht stattgefundene Lockdown die falsche Entscheidung war.

Wie viele Menschen
arbeiten im Landtag?
Gödecke: Abgeordnete und Mitarbeiter sind nicht täglich vor Ort. Aber mit Saaldienern und Raumpflegern sind es bestimmt 1.500 Menschen insgesamt.

Wieso dürfen Kinder
nicht gewählt werden?
Gödecke: Man muss ein bestimmtes Alter haben. In der Kommune gilt das Wahlrecht ab 16 Jahren. Die Senkung des Mindestalters wird im Land dis­kutiert. Manche denken, dass Kinder noch keine klugen Entscheidungen treffen können, aber das stimmt nicht. Es gibt ja auch Schul- und Jugendparlamente.

Wieso braucht der Landtag einen Präsidenten?
Gödecke: Überall muss es einen Chef geben, der auf die Regeln achtet und Ruhe herstellt, wenn es notwendig wird – wie in der Schule.

Was passiert,
wenn der Präsident krank wird oder stirbt?
Gödecke: Wir, die Stellvertreter, übernehmen die anfallenden Aufgaben. Im Todesfall gibt es Neuwahlen.

Warum wird nur alle fünf Jahre gewählt?
Gödecke: Es wird nur alle fünf Jahre gewählt, damit die Abgeordneten Zeit haben ihre Ziele umzusetzen. Für mich ist das mittlerweile eine kurze Zeitspanne.
Kalkreuter: Ich muss viel Überzeugungsarbeit leisten, um Ziele umzusetzen bei 40 gewählten Ratsmitgliedern. Es gibt auch Zeiten, die ganz im Zeichen der Wahl stehen.

Warum braucht man
zum Wählen einen
deutschen Pass?
Gödecke: Man sollte über bisherige Selbstverständlichkeiten nachdenken. Der deutsche Pass ist notwendig, weil man über Deutschland entscheidet.

Was müssen
Politiker können?
Gödecke: Politiker müssen lesen und sprechen können, möglichst einen Beruf haben und sich trauen, vor Gruppen zu sprechen. Religionszugehörigkeit und Behinderungen spielen keine Rolle, letzteres kann durch technische Hilfsmittel ausgeglichen werden.

Warum kann man erst mit
18 Jahren wählen?
Gödecke: Ich bin für die Wahl ab 16 Jahren, weil es heute Möglichkeiten gibt, dass junge Menschen sich eine Meinung bilden können. In der Kommune dürfen EU-Bürger mitwählen, wenn sie in der Stadt Lage wohnen. Franzosen dürfen wählen, Türken nicht. Ich bin der Meinung, wer Steuern zahlt, darf auch wählen.

Warum kann man nicht
online oder im Supermarkt wählen?
Gödecke: Eine Wahl muss geheim und frei sein. Online ist ein Wahlvorgang anfällig für Sicherheitslücken. Im Supermarkt könnte jemand über die Schulter gucken. In 25 Jahren werden wir wahrscheinlich anders wählen, bei einer Briefwahl ist man auch nicht physisch anwesend; es ist aber fraglich, ob in dem Fall das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt.

Wie sind Sie Politikerin
geworden?
Gödecke: Das war ein großer Zufall. Damals gab es zu viele Lehrer. In meinem Wahlkreis in Bochum wurde ein Platz frei und ich wurde gefragt. In einer internen Wahl konnte ich mich gegen Mitbewerber durchsetzen. Das war nie mein Traumberuf, ich wollte immer zur Schule.

Wie lange arbeiten
Sie am Tag?
Gödecke: Ich sitze schon früh in meinem Dienstwagen mit Fahrer, dort beginne ich zu telefonieren, Unterlagen zu lesen und zu schreiben. Der Dienstwagen ist wie ein rollendes Büro, im Zug könnte ich das nicht, weil nicht alle Themen für alle Ohren bestimmt sind. Abends müssen zu Hause E-Mails und Unterlagen gelesen werden. Ich bin fünf Tage in Düsseldorf und zwei Tage in Bochum.
Stock: Ich fahre um 5.15 Uhr mit dem Zug nach Düsseldorf, es sind drei Stunden Weg bis zum Landtag. Ich nutze die Zeit im Zug zum Lesen. Ich mag meine Arbeit, jeder Tag ist anders, es ist sehr abwechslungsreich. Am Wochenende bin ich im Wahlkreis unterwegs.

Wie viel verdienen Sie?
Gödecke: Ich verdiene sehr gut, über 10.000 Euro, aber der Arbeitsvertrag gilt nur für fünf Jahre. Wir sind keine Millionäre. Von dem Geld gehen noch Versicherungen und Steuern ab, das Büro, Geschenke für Vereine und „Runden“.

Wie sieht ihr
Privatleben aus?
Ganz normal. Ein kleines Haus mit Garten, ich koche, putze, backe. Ich habe Kinder und Enkelkinder. Ich kann stricken und häkeln. Derzeit stricke ich für das Weihnachtsfest.